3. Medienwandel und Informationskultur

Globale Dynamik

Die Medienlandschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch. Klassische, redaktionell kontrollierte Medien verlieren an Reichweite und Einfluss, während digitale Plattformen, soziale Netzwerke und Messenger-Dienste neue Kanäle der Information, Kommunikation und Meinungsbildung bieten. Gleichzeitig wachsen Unsicherheiten: Filterblasen, Desinformation und algorithmisch verstärkte Emotionalisierung machen es schwieriger, gesellschaftliche Debatten auf einer gemeinsamen Basis zu führen. Die Öffentlichkeit wird fragmentierter, die Schwelle zur aktiven publizistischen Teilhabe sinkt – mit Chancen für mehr Beteiligung, aber auch mit Risiken für Polarisierung und Misstrauen gegenüber Institutionen.

Der Trend „Medienwandel und Informationskultur“ gehört zum Trendcluster „Gesellschaft & Werte“

Wie gelingt gesellschaftlicher Zusammenhalt in Zeiten des Wandels? Dieses Cluster beleuchtet, wie sich Zusammenleben, Kommunikation und Zugehörigkeit verändern – etwa durch demografische Verschiebungen, neue Medienwelten und einen kulturellen Wertewandel. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie wir Vielfalt leben, Demokratie stärken und neue Formen des Miteinanders gestalten können.

Relevanz für Weilheim

In Weilheim zeigt sich der Medienwandel auf vielfältige Weise. Die Bedeutung klassischer Lokalzeitungen nimmt ab, insbesondere bei jüngeren Zielgruppen. Viele Menschen informieren sich über digitale Kanäle – teils innerhalb ihrer sozialen oder politischen Blase. Die Meinungsbildung verlagert sich zunehmend in private Gruppen, Messenger-Dienste oder soziale Netzwerke. Gleichzeitig gibt es engagierten Lokaljournalismus und vielfältige Öffentlichkeitsarbeit durch Vereine, Gruppen und Initiativen. Das lokale Angebot an Podcasts, Videos, Blogs oder partizipativen Formaten ist bisher jedoch gering. Gerade für eine demokratische Stadtgesellschaft ist ein vielfältiges Informationsangebot zentral – nicht zuletzt, um Beteiligung, Vertrauen und Orientierung zu ermöglichen. In sozialräumlich benachteiligten Quartieren, wie sie auch in der aktuellen Sozialraumanalyse identifiziert wurden, stellt sich zudem verstärkt die Frage nach Zugang, Medienkompetenz und aktiver Teilhabe an öffentlicher Kommunikation.
Die Grenzen zwischen medialem Konsum, öffentlicher Meinungsäußerung und politischem Aktivismus verschwimmen. In Weilheim entstehen erste digitale Beteiligungsformate, doch der Diskurs findet oft in getrennten Räumen statt. Während jüngere Menschen sich vor allem über TikTok, YouTube oder Instagram informieren, fehlen häufig Formate, die eine Brücke zwischen den Generationen und sozialen Milieus schlagen. Dies führt nicht nur zu Missverständnissen, sondern auch zu einer Erosion gemeinsamer Öffentlichkeiten. Hier braucht es Räume, Formate und Plattformen, die nicht nur Informationen vermitteln, sondern Dialog ermöglichen – zum Beispiel medienpädagogisch begleitete Beteiligungsformate an Schulen, Online-Dialoge auf kommunalen Plattformen oder hybride Diskussionsforen.
Angesichts wachsender Informationsflut, gezielter Desinformation und algorithmischer Inhalte ist Medienbildung ein Schlüsselthema – nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene und ältere Menschen. In Weilheim ließe sich hier an bestehende Strukturen bei Schulen, Stadtbücherei, Volkshochschule oder Vereinen anknüpfen. Medienkompetenz ist dabei nicht nur eine technische Fähigkeit, sondern auch eine soziale: Wer lernt, Informationen einzuordnen, Perspektiven zu hinterfragen und eigene Beiträge zu gestalten, wird zum aktiven Teil einer demokratischen Öffentlichkeit. Unterschiedliche Altersgruppen nutzen unterschiedliche Medienkanäle – was nicht nur die Inhalte, sondern auch die Formen der Ansprache betrifft. Generationenübergreifende Formate und Begegnungsräume könnten hier neue Brücken schlagen. Der jüngste Sachstandsbericht zur Lokalen Entwicklungsstrategie verweist zudem auf das Potenzial von Medien- und Informationskompetenz als Standortfaktor – sowohl für Bildungsqualität als auch für demokratische Resilienz.
Vertrauen in Politik, Verwaltung und Medien entsteht nicht von selbst – es muss erarbeitet, gepflegt und transparent kommuniziert werden. Gerade kleinere Städte wie Weilheim haben hier eine Chance: Nähe, Zugänglichkeit und Klarheit können einen Gegenpol zur abstrakten Komplexität der „großen Politik“ bilden. Entscheidend ist, ob es gelingt, diese Potenziale strategisch zu nutzen – etwa durch eine verständliche, ansprechende und dialogorientierte Kommunikation der Verwaltung, durch den Aufbau eines kommunikativen Leitbilds oder durch partizipative Öffentlichkeitsarbeit. Die Kommune könnte sich hierbei auch als Vermittlerin und Plattform für zivilgesellschaftliche Kommunikationsinitiativen verstehen.
In einer zunehmend vernetzten Welt ist dabei auch digitale Sicherheit ein Thema: Die Stadt muss in der Lage sein, ihre Kommunikationskanäle vor Manipulation, Angriffen oder Ausfällen zu schützen – etwa im Rahmen von Katastrophenschutz oder digitaler Resilienz.

Zwischenfazit

Der Medienwandel ist ein zentraler Treiber gesellschaftlicher Veränderung – auch in Weilheim. Zwischen TikTok und Tageszeitung, zwischen digitaler Mobilisierung und analogem Gespräch entsteht eine neue Öffentlichkeit. Wenn es gelingt, diese Entwicklung aktiv zu gestalten – mit Medienbildung, klarer Kommunikation und neuen Räumen für Dialog –, kann daraus ein Fundament für demokratische Teilhabe, sozialen Zusammenhalt und strategische Stadtentwicklung entstehen.

Offene Fragen

  • Wie gelingt generationenübergreifende Kommunikation in der digitalen Welt?
  • Welche Formate fördern Dialog statt Polarisierung?
  • Wie kann Medienbildung dauerhaft verankert werden – auch für Erwachsene?
  • Welche Rolle spielen digitale Sicherheitsstrukturen in der kommunalen Kommunikationsstrategie?

Akteure

Schulen, Medienzentren, Stadtverwaltung, Vereine, lokale Journalist:innen, Kulturträger:innen, Bildungseinrichtungen, Bürger:innen, kommunale Öffentlichkeitsarbeit, Jugendparlamente, IT-Abteilungen, Datenschutzbeauftragte

Handlungsfelder

Fragmentierung der Öffentlichkeit, Generationenunterschiede in Mediennutzung, Polarisierung, digitale und analoge Öffentlichkeitsräume, strategische Kommunikationsformate, Förderung lokaler Medieninitiativen, digitale Resilienz in der öffentlichen Kommunikation

Stärken

  • Lokale Berichterstattung (Print) mit hoher Reichweite

Schwächen

  • Desinformation (unklar, worauf genau bezogen)
  • Digitale Exklusion / Teilhabe ohne Smartphone?
  • Geringe Transparenz kommunalpolitischer Prozesse
  • Beitrag lokaler Facebook / Telegram-Gruppen zu demokratischer Informationskultur?

Chancen

  • Digitale Informationsangebote und Kommunikations-Apps (z. B. Weilheim-App)
  • Lokaler Journalismus als Vertrauensanker und demokratische Infrastruktur
  • Gemeinsame Orte zur Diskussion und Reflexion von Informationen (z. B. Cafékultur, Zeitung im Café)
  • Entwicklung einer inklusiven Informationskultur
  • Bewusstseinswandel im Umgang mit Desinformation
  • Barrierefreiheit (auch sprachlich, digital, visuell)
  • Intergenerationeller Austausch über Mediennutzung und -verständnis
  • Transparenz durch digitale Politikformate (z. B. Livestreams von Sitzungen)
  • Kooperationen mit Bildungsträgern und sozialen Einrichtungen
  • Medienbildung als Teil politischer Resilienz

Konkrete Maßnahmen

  • Weilheim-App als zentrale Info- und Beteiligungsplattform
  • Medienkompetenzkurse (Schule, VHS, Stadtbücherei, Jugendzentren)
  • FabLab / Medien-Lab: kreative Orte für digitalen Ausdruck und Technikverständnis
  • Offene Studios, Bürger-TV, Bürger-Radio, lokale Social-Media-Kanäle
  • Ausschusssitzungen des Stadtrats im Livestream übertragen
  • Bildungsarbeit zu Desinformation, Verschwörungsnarrativen & kritischem Denken
  • Handyfreie Schule (weitere Orte?) als Kontrapunkt zur Dauerverfügbarkeit digitaler Medien
  • Maßnahmen gegen Einsamkeit in Verbindung mit Teilhabe an öffentlicher Kommunikation
  • Medienangebote in einfacher Sprache / Mehrsprachigkeit
  • Interaktive Stadtbücherei als Ort für Medienbildung & Austausch
  • Kommunikationskultur stärken: Räume für moderierte Dialoge (z. B. Speakers’ Corner, Cafés, Werkstätten)
  • Digitale Werkzeuge für informelle Beteiligung (z. B. Abstimmungen, Rückmeldungen, Umfragen)