2. Zusammenhalt & demokratische Kultur
Globale Dynamik
In vielen Demokratien steht der gesellschaftliche Zusammenhalt unter Druck. Vertrauensverluste in Institutionen, populistische Bewegungen und digitale Echokammern erschweren einen konstruktiven öffentlichen Diskurs. Steigende Polarisierung – zwischen Stadt und Land, sozialen und kulturellen Gruppen, zunehmend auch zwischen Jung und Alt – ist die Folge. Aktuelle Forschung für Deutschland zeigt, dass Ressentiments gegenüber »Anderen« bis tief in die gesellschaftliche Mitte reichen, die liberale Gesellschaftsordnung wird zunehmend hinterfragt. Gleichzeitig entstehen neue Formen demokratischer Beteiligung, lokale Initiativen und zivilgesellschaftliche Allianzen, die der Spaltung entgegenwirken können. Demokratie braucht deshalb Pflege und vor allem inklusive Orte, an denen Menschen über Differenzen hinweg miteinander ins Gespräch kommen.
Der Trend „Demografischer Wandel & Generationen“ gehört zum Trendcluster „Gesellschaft & Werte“
Wie gelingt gesellschaftlicher Zusammenhalt in Zeiten des Wandels? Dieses Cluster beleuchtet, wie sich Zusammenleben, Kommunikation und Zugehörigkeit verändern – etwa durch demografische Verschiebungen, neue Medienwelten und einen kulturellen Wertewandel. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie wir Vielfalt leben, Demokratie stärken und neue Formen des Miteinanders gestalten können.
Alle Trends (anklickbar)
Cluster Gesellschaft & Werte
1. Demografischer Wandel & Generationen
2. Zusammenhalt & demokratische Kultur
3. Medienwandel & Informationskultur
4. Kultur & gesellschaftliche Identität
Cluster Arbeit, Bildung & Wirtschaft
5. Arbeit & neue Erwerbsmodelle
6. Bildung & Innovation
7. Digitalisierung & neue Wertschöpfung
8. Globale Märkte & Standortstrategien
Cluster Lebensqualität, Gesundheit & Nachhaltigkeit
9. Klimawandel & ökologische Transformation
10. Gesundheit & Versorgung
11. Stadtentwicklung & Wohnen
12. Mobilität & Infrastruktur
Relevanz für Weilheim
Neben den politischen Parteien prägen in Weilheim über 150 Vereine das gesellschaftliche Leben – vom TSV mit rund 4.800 Mitgliedern über Musikvereine bis hin zu den Blaulichtorganisationen. Diese Strukturen leisten wertvolle Arbeit in Sport, Kultur und im sozialen Bereich und sind tragende Säulen des sozialen Zusammenhalts. Allerdings stehen viele dieser Organisationen vor einem Generationswechsel: Mitgliederzahlen stagnieren, Nachwuchs fehlt, ehrenamtliche Vorstände finden sich schwerer und die Polarisierung geht inzwischen auch mitten durch Kirchengemeinden, Vereine und Bildungseinrichtungen.
Auch in Weilheim wurden in den letzten Jahren kontroverse Debatten geführt, beispielsweise bei der Diskussion um die Energiezentrale am Kranlöchl, wo Bürgerinitiativen Ratsbegehren gegenüberstanden. Dabei ging es weniger um fundamentale Werteunterschiede als um Verfahren, Transparenz und das Gefühl, nicht gehört zu werden. Über kontroverse Themen wie die Corona-Pandemie, auch über Krieg und Frieden in Europa, suchen sowohl die sog. Spaziergänger:innen Öffentlichkeit, wie auch Engagierte für Demokratie und Solidarität mit der Ukraine. Beispielhaft weist dies auf eine Herausforderung: Wie können politische Prozesse so gestaltet werden, dass unterschiedliche Meinungen produktiv diskutiert werden?
Die Stadt Weilheim verfügt über eine engagierte Zivilgesellschaft – von der Agenda 21 bis zu aktiven Bürger:innen in Umwelt- oder Kulturprojekten. Immer wieder gelingen öffentliche Mobilisierungen, etwa für die Demokratie, für den Klimaschutz oder im Bereich der Erinnerungskultur. Auch Beteiligungsformate wie das Leitbild, das ISEK oder der Prozess „Weilheim kann Zukunft“ zeigen, dass viele Menschen bereit sind, sich einzubringen, wenn Form, Rahmen und Wirkung stimmen. Beteiligung schafft Transparenz, vermittelt Kompetenzerleben und fördert politische Resilienz. Gleichzeitig braucht sie Verbindlichkeit: Beteiligung darf nicht Selbstzweck sein, sondern muss ernst genommen und in Verwaltungshandeln übersetzt werden. Andersherum gilt, dass demokratisch getroffene Entscheidungen auch respektiert werden.
Orte wie die Musikschule, das Jugendzentrum, die Volkshochschule oder die Stadtbücherei, auch viele andere Begegnungsorte im Freizeit- und Sportbereich und natürlich Betriebe, können Demokratiestützpunkte sein. Hier können Begegnungen, Diskussionen und Bildung niedrigschwellig und barrierefrei stattfinden. Als Oberzentrum mit wachsender Bevölkerung und zunehmender Diversität hat Weilheim eine besondere Verantwortung, soziale Orte aktiv zu fördern. Ein bewusstes Gegengewicht zur Polarisierung und kulturellen Unterwanderung entsteht dort, wo kommunale Akteure mit Zivilgesellschaft, Bildungsträgern, Vereinen und Betrieben gemeinsam handeln und demokratische Werte bewusst leben und stärken.
Zwischenfazit
Demokratische Kultur und gesellschaftlicher Zusammenhalt entstehen nicht von allein, sondern sind Ergebnis bewusster Gestaltung und des Umgangs mit demokratieskeptischen Haltungen. Die Stadt Weilheim kann Vorreiterin werden durch eine Förderung inklusiver sozialer Orte, vertrauensbildende Beteiligung und eine klare Positionierung gegen demokratiefeindliche Strömungen.
Offene Fragen
- Wie können neue Beteiligungsformen etabliert und bestehende gestärkt werden?
- Wie gelingt der Dialog zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen – etwa Generationen, Milieus oder rrellen Prägungen?
- Wie kann die demokratische Kultur auch in Konflikten bewahrt werden?
- Wie gelingt es, der kulturellen Unterwanderung, z.B. durch rechtsesoterische Gruppen, entgegenzutreten?
- Wie können soziale Orte gestärkt und noch besser als demokratische Lernräume genutzt werden?
Akteure
Stadtverwaltung, Stadtrat, Sport- und weiter Vereine und Verbände, Blaulichtorganisationen, Schulen und Bildungsstätten, Begegnungsorte, Sozialverbände, Religionsgemeinschaften, Initiativen und Bürgergruppen, Medien
Handlungsfelder
Bürgerbeteiligung, Vereinbarkeit von repräsentativer und direkter Demokratie, Polarisierung, Nachwuchsgewinnung im Ehrenamt, inklusive Kommunikation, Vertrauen in Institutionen
Stärken
- Aktives Vereinsleben
- Hohe Ehrenamtsbereitschaft
- Digitaler Raum relativ barrierefrei
Schwächen
- Wenig Beteiligung junger Menschen
- Politische Polarisierung
- Gefühl des Abgehängt-Seins
- Vertrauensverlust in politische Prozesse / Gefühl mangelnder Wirksamkeit
- Steigende Skepsis gegenüber „etablierter Politik“
Chancen
- Digitale Beteiligungsformate
- Stärkung und Modernisierung des Ehrenamts
- Soziale Orte strategisch fördern
- Nachbarschaftliche Begegnung fördern (z. B. Hoagart, Treffpunkte, Events)
- Begegnung und Gesprächsfäden über gesellschaftliche Lager hinweg → inklusiver Diskurs auf Augenhöhe, gemeinsame Interessen identifizieren trotz unterschiedlicher Positionen
- Schulen und Bildungseinrichtungen ++ als Orte demokratischer Kultur
- Öffentliche Anerkennung von Engagement (z. B. Dankesformate, Ehrungen)
- Informelle, niedrigschwellige Beteiligungsformen stärken (Feedbackkultur)
- Generationenübergreifendes Engagement fördern
- Ehrenamt und soziale Netzwerke im Quartier ausbauen
- Zuwanderung als Ressource verstehen
Konkrete Maßnahmen
- Online-Partizipationsplattform
- Demokratie-Werkstätten
- Formate zur Überwindung von Sprachlosigkeit zwischen gesellschaftlichen Lagern (z. B. moderierte Dialoge)
- Räume für öffentlichen Diskurs schaffen (z. B. Speakers’ Corner)
- Bildungsformate gegen Vorurteile und Ausgrenzung
- Räume für Jugendbeteiligung & generationenverbindenden Dialog
- Engagement Älterer fördern (z. B. FSJ 60+ in Teilzeit)
- Orte für Austausch & bürgerschaftliche Beteiligung noch mehr mit Leben füllen (z. B. Stadtbücherei, vhs, Sozial-Cafés)
- Ehrenamt flexibler und inklusiver gestalten:
- Formale Hürden senken
- Mehr Optionen bei zeitlicher/örtlicher Bindung
- Vermittlungsstellen & Anlaufpunkte (analog & digital)
- Plattform für Information, Matching & Angebote